So verbessern Sie zielgerichtet Ihre Produktkonfiguration

Ingo Bögemann

Um erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen ihre Prozesse kontinuierlich optimieren. Das gilt sowohl für Vertriebsprozesse als auch für interne Prozesse. Der Kunde sollte effizient durch den Verkaufsprozess geführt werden und ein Produktsortiment zur Auswahl haben, das seinen Erfordernissen entspricht. Gleichzeitig sollten die für die Bearbeitung einer Kundenbestellung notwendigen Arbeitsabläufe möglichst schlank gehalten werden, um unnötige Kosten zu vermeiden. In diesem Zusammenhang setzen daher viele Unternehmen auf Produktkonfiguration.

Produktkonfiguration ermöglicht es, aus einem Pool an vordefinierten Bauteilen die benötigten Komponenten auszuwählen und diese zu einem fertigen Produkt zusammenzusetzen, das die Wünsche des Kunden erfüllt. Um Produktkonfiguration erfolgreich zu betreiben, ist es jedoch notwendig, dass sowohl die internen Prozesse als auch die im Gespräch mit dem Kunden stattfindenden Verkaufsprozesse auf Konfiguration ausgerichtet und aufeinander abgestimmt sind. Im besten Fall sind die Prozesse so harmonisiert, dass End-to-End Konfiguration möglich wird, die nur einen einmaligen Input erfordert, um den Konfigurations- und Fertigungsprozess anzustoßen.

In der Praxis sieht es allerdings häufig so aus, dass die gewählte Vertriebs- und Konfigurationsstrategie nicht zur Produktstrategie passt. So wird dem Kunden unter Umständen zwar ein konfigurierbares Produkt angeboten, die Entwicklungs- und Fertigungsprozesse sind aber nicht entsprechend gestaltet, um Konfiguration ohne erheblichen Mehraufwand zu ermöglichen.

In diesem Blog-Artikel wollen wir Ihnen ein Vorgehen vorstellen, das Ihnen hilft zu überprüfen, ob Ihre Produkt- und Konfigurationsstrategie mit Ihren Entwicklungs- und Fertigungsprozessen übereinstimmt. Danach werden wir Ihnen anhand von drei konkreten Beispielen zeigen, wie Sie das Vorgehen nutzen können, um Ihre Produktkonfiguration zu verbessern.

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Kombinierbarkeit von internen Prozessen und Verkaufsprozessen sicherstellen

Bevor wir uns anhand der drei Beispiele anschauen, wie Sie die Produktkonfiguration und Produkterstellung in Ihrem Unternehmen verbessern können, möchten wir Ihnen zunächst das entsprechende Rahmenwerk vorstellen, das wir dazu verwenden werden. Dieses bietet Ihnen einen systematischen Überblick über die verschiedenen Arten von Vertriebsprozessen und auftragsbezogenen Prozessen, die nach Eingang der Kundenbestellung unternehmensintern ablaufen, und welche Kombinationen im Frontend und Backend gut beziehungsweise überhaupt nicht funktionieren.

Produktorientiert, projektorientiert, konfigurationsorientiert - Die 3 Arten von Verkaufsprozessen

Grundsätzlich haben Unternehmen drei verschiedene Strategien zur Auswahl, um ihre Produkte zu vermarkten. Die erste Möglichkeit ist eine produktorientierte Vorgehensweise. Hierbei wird das komplette Produktportfolio vorab entwickelt und die fertigen Produkte in einem Produktkatalog zusammengefasst, aus dem der Kunde die für ihn passende Option auswählen kann. Eine zweite mögliche Strategie ist ein projektorientierter Verkaufsprozess, bei dem Produkte individuell für den Kunden entwickelt und gefertigt werden. Als dritte Möglichkeit können Unternehmen konfigurationsorientiert vorgehen. Bei einer solchen Vorgehensweise wird das Produkt aus einem Repertoire an vordefinierten Teilen einschließlich Software und Serviceleistungen unter Einhaltung bestimmter Kombinationsregeln zusammengesetzt, um so den Wünschen des Kunden zu entsprechen.

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Alle drei Verkaufsmodelle haben ihre Vor- und Nachteile. So kann ein projektorientiertes Unternehmen zwar hinsichtlich Kundenzufriedenheit punkten, der Arbeitsaufwand bei der Bearbeitung einer Bestellung ist dafür sehr hoch. Bei einem produktorientierten Unternehmen ist genau das Gegenteil der Fall. Der Vertrieb standardisierter, vorproduzierter Produkte ist zwar effizient, die Produktpalette ist aber nicht flexibel und unter Umständen findet ein Kunde kein Produkt, das seine Anforderungen hinreichend abdeckt.

Leseempfehlung: Einen detaillierten Überblick über den Nutzen von Produktkonfiguration für die unterschiedlichen Verkaufsprozesse sowie ihre jeweiligen Vor- und Nachteile bietet Ihnen unser Blog-Artikel “So profitiert auch Ihr Unternehmen von Produktkonfiguration”.

Interne Prozesse: Stückliste wiederholen oder neu erstellen?

Den drei zuvor beschriebenen Verkaufsstrategien, stehen verschiedene Prozesse gegenüber, wie ein Kundenauftrag intern zu bearbeiten ist. Insbesondere geht es hierbei um die Art und Weise, wie die Stückliste für das Produkt generiert wird. Grundlegend haben Unternehmen die Möglichkeit eine neue Stückliste für das Produkt zu erstellen, oder eine im Vorfeld erstellte Stückliste zu verwenden. Diese beiden Optionen lassen sich jedoch weiter auffächern. Hier ist ein Überblick der möglichen Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Kundenbestellung:

  • Wiederholung einer festen Stückliste mit notwendigen Modifikationen.
  • Wiederholung der Stückliste auf Basis eines geschlossenen Produktbaukastens.
  • Erstellen einer völlig neuen Stückliste.
  • Erstellen einer neuen Stückliste durch Modifikation eines in der Vergangenheit
    entwickelten Produkts.
  • Erstellen einer neuen Stückliste auf Basis eines offenen Produktbaukastens.
  • Erstellen einer neuen Stückliste auf Basis eines vollständig vorentwickelten             Produktbaukastens (Geschlossener Produktbaukasten).

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Kombinationsmöglichkeiten: Was geht und was geht nicht?

Das dritte Element des Rahmenwerks, das wir Ihnen hier vorstellen wollen, stellt eine Klassifizierung der Kombinationsmöglichkeiten der unterschiedlichen Vertriebsprozesse und internen Prozesse dar. Wie Sie anhand der farblichen Codierung in der nachfolgenden Tabelle erkennen können, sind einige Kombinationen ideal (hier in Gelb hinterlegt), während andere zwar operativ, aber nicht unbedingt empfehlenswert sind (hier in Orange hinterlegt) . Von manchen Kombinationen (hier in Rot hinterlegt) wird sogar ganz abgeraten. Die grau hinterlegten Szenarien sind uns in der Praxis nicht bekannt.

Dazu gehört beispielsweise das Verwenden eines vollständig vorentwickelten Produktbaukastens bei einem produktorientierten Verkaufsprozess. Eine sehr gut funktionierende Kombination stellt das Implementieren eines offenen Produktbaukastens zur Unterstützung eines projektorientierten Vertriebsprozesses dar. Für ein konfigurationsorientiertes Unternehmen eignet sich intern ausschließlich die Verwendung eines offenen oder vollständig entwickelten Produktbaukastens, während alle anderen internen Vorgehensweisen mit der konfigurationsbasierten Konstruktion der Produkte im Widerspruch stehen.

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Vorgehen in der Praxis: Bessere Produktkonfiguration durch Prozessoptimierung anhand von 3 Beispielen

Anhand dieses Vorgehens können Unternehmen überprüfen, ob ihre Vertriebsprozesse und internen Prozesse aufeinander abgestimmt sind, um eine maximale Effizienz zu erzielen. Ist das noch nicht der Fall, liefert das Rahmenwerk Impulse, um die notwendigen Transformationsprozesse anzustoßen und die Produktkonfiguration im Unternehmen zu verbessern. Wie genau ein solcher Transformationsprozess aussehen kann, zeigen wir Ihnen in der Folge anhand von drei konkreten Beispielen, darunter eins für jeden der drei Vertriebsprozesse:

 

  1. Übergang zu einem geschlossenen Produktbaukasten in einem produktorientierten Unternehmen
  2. Übergang von maßgeschneiderten Produkten zu einem offenen Produktbaukasten in einem projektorientierten Unternehmen
  3. Übergang von einem offenen Produktbaukasten hin zu einem vollständig entwickelten Produktbaukasten in einem konfigurationsorientierten Unternehmen

Für alle drei Szenarien werden wir uns jeweils die folgenden Aspekte ansehen:

  • Welches ist die aktuelle Unternehmenssituation?
  • Was soll verändert werden und warum?
  • Wie kann die Veränderung umgesetzt werden?

Die jeweils angestrebten Veränderungen haben wir Ihnen zur besseren Nachvollziehbarkeit entsprechend in unserer Übersicht kenntlich gemacht.

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Produktorientierte Unternehmen: Vom Standardprodukt zum geschlossenen Produktbaukasten

Das erste Beispiel, das wir uns anschauen wollen, ist ein projektorientiertes Unternehmen mit einem Katalog an fertigen Produkten mit jeweils individuellen SKUs (Stock Keeping Units). Zur Erstellung eines neuen Produkts kopiert und modifiziert das Unternehmen die Stückliste eines bestehenden Standardprodukts, welches als Template dient. Nehmen wir an, dass das Unternehmen trotz fixem Produktkatalog mit vielen individuellen Kundenanfragen konfrontiert ist. Der Grad an Innovation im Unternehmen ist mittelmäßig und aufgrund der ineffizienten Copy-Paste-Vorgehensweise wächst die Anzahl der angebotenen Produktvariationen ständig an, was auch die Pflege des Produktsortiments erschwert.

Ziel des Unternehmens ist es, zu einem geschlossenen Produktbaukasten zu wechseln. Damit sollen zum einen Synergien zwischen den einzelnen Produkten geschaffen, sowie eine verkürzte Time-to-Market (TTM) erreicht werden. Außerdem soll ein geschlossener Baukasten ein größeres Sortiment bei gleichzeitig weniger Verwaltungsaufwand ermöglichen, was letztlich auch eine Verbesserung der Umsätze und Gewinnmargen bedeutet.

Der Übergang der bisherigen internen Arbeitsweise hin zu einem geschlossenen Baukasten geschieht dabei in zwei Schritten. Zunächst müssen die existierenden Produktfamilien konsolidiert und danach übergreifend verwendbare Module identifiziert werden. Im ersten Schritt geht es darum, alle Produkte in Form eines gemeinsamen Produktbaukastens zu gestalten und ggf. ältere Produkte, die nicht in diesen Baukasten aufgenommen werden sollen oder können, gesondert zu behandeln. Auf dieser Basis ist es möglich zu erkennen, welche Teile in verschiedenen Produkten wiederverwendet werden können und entsprechende Module abzugrenzen. Dafür müssen allerdings passende Governance-Strukturen geschaffen werden.

Projektorientierte Unternehmen: Von maßgeschneiderten Produkten zu einem offenen Produktbaukasten

Beim zweiten Beispiel handelt es sich um ein projektorientiertes Unternehmen, das einen offenen Produktbaukasten implementieren will. Bisher wurde das Produkt für jeden Kundenauftrag individuell angefertigt, d. h. für jeden Kundenauftrag werden im Austausch mit dem Kunden die notwendigen Spezifikationen ermittelt und danach wird eine von Grund auf neue Stückliste für das Projekt generiert. Diese Vorgehensweise kommt für gewöhnlich bei sehr großen, technisch komplexen Produkten zum Einsatz, die hochvariant sind. Um eine passende Produktlösung zu entwickeln, kommt die Expertise der Entwicklungsingenieure sowie gegebenenfalls Elemente aus vorangegangenen Projekten zum Einsatz.

Durch die Implementierung eines offenen Produktbaukastens soll in erster Linie der Entwicklungsprozess beschleunigt, also die Zeit zwischen Aufgabe der Kundenbestellung und Konzeption des entsprechenden Produkts verkürzt werden. Weitere angestrebte Vorteile sind die Verbesserung der Qualität des Produkts, eine Verbesserung der prognostizierten Lieferzeiten und eine Verringerung des Aufwands für die Entwicklungsteams.

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Um die internen Prozesse effizienter zu gestalten und einen offenen Produktbaukasten einzuführen, muss zunächst ein harmonisierbarer Produktkern definiert werden. Dabei sollte es sich um diejenigen Produktkomponenten handeln, die am wenigsten von individuellen Anpassungswünschen der Kunden betroffen sind. Ist dies einmal geschehen, können die folgenden Schritte durchlaufen werden:

  • Erstellung eines Marktmodells: Welche Features werden zum Abdecken von gegenwärtigen und zukünftigen Marktbedürfnissen benötigt?
  • Baukasten entwickeln: Modularen Baukasten für den Produktkern entwickeln, der über standardisierte Schnittstellen zu den kundenindividuell entwickelten Komponenten des Produkts verfügt.
  • Generisches Produktmodell erstellen: Datenmodelle für zukünftige Produkte erstellen, die wiederholt genutzt werden können. Diese Modelle müssen regelmäßig aktualisiert werden und sollten eher an den Erkenntnissen über die zukünftigen Marktanforderungen als an der Vergangenheit ausgerichtet sein.

Konfigurationsorientierte Unternehmen: Von einem offenen Produktbaukasten hin zu einem vollständig entwickelten Produktbaukasten

Unser drittes Beispiel ist ein konfigurationsorientiertes Unternehmen, das im Backend mit einem offenen Produktbaukasten arbeitet. Trotz des Vorhandenseins eines modularen Baukastens ist die Profitabilität des Unternehmens recht niedrig und für jeden Kundenauftrag fällt nach wie vor Arbeit für die Konstrukteure und ggf. Programmierer an.

Durch den Wechsel hin zu einem vollständig entwickelten Produktbaukasten soll zum einen die Bandbreite der Serviceleistungen des Unternehmens vergrößert werden (z. B. Ersatzteile, Upgrade oder Installation). Zum anderen soll der Anteil an Engineer-to-Order Maßnahmen reduziert und stattdessen für einen größeren Teil des Verkaufs- und Produktentwicklungsprozesses End-to-End Konfiguration ermöglicht werden. Dadurch wird der Prozess gleichzeitig weniger personenbezogen, da vorhandenes Wissen, mögliche technische Lösungen und Kombinationsmöglichkeiten einzelner Elemente im Baukasten systematisch & transparent gebündelt werden.

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Der angestrebte Transformationsprozess sieht in diesem Fall wie folgt aus. Basierend auf den bestehenden Kundenbedürfnissen wird ein Marktmodell entwickelt, um zu verstehen wo aus Kundenbedarfssicht Varianz für verschiedene Kundengruppen notwendig ist und wo nicht. Dazu wird der Anwendungsbereich der Produkte neu evaluiert und festgelegt, welche Module zur kundenindividuellen Anpassung des Produkts verwendet werden. Der zweite Schritt ist erneut die Erstellung von umfassenden Produktmodellen, die dann synchronisiert und kontinuierlich gepflegt werden müssen. Auch der Verkaufsprozess sollte in diesem Fall modifiziert werden, um den Einsatz von beispielsweise einer CPQ-Software zu erlauben und der vorab definierten Aufteilung in Prozesse, die automatisiert ablaufen können, und solche, die die Arbeit von Entwicklungsingenieuren erfordern, Rechnung zu tragen. Abschließend müssen die unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten zugewiesen werden, um die Verankerung in der Organisation und den routinemäßigen Einsatz des ausgearbeiteten Baukastensystems zu gewährleisten.

Verkaufsprozesse und interne Prozesse harmonisieren für eine gelungene Produktkonfiguration

Die Kernvoraussetzung für erfolgreiche Produktkonfiguration ist die Harmonisierung der verschiedenen Prozesse, die intern und im Vertrieb ablaufen. End-to-End Konfiguration mag nicht für jedes Unternehmen realisierbar oder gar sinnvoll sein, aber jedes Unternehmen kann davon profitieren, die Effizienz seiner Prozesse zu verbessern und Produktkonfiguration besser einzusetzen. In diesem Blog-Beitrag haben wir Ihnen ein Vorgehen zur Harmonisierung Ihrer internen Prozesse mit ihrer Vertriebsstrategie und ihrem Vorgehen in der Produktkonfiguration vorgestellt, und Ihnen gezeigt, wie die Umsetzung in der Praxis gelingt.

Für weiterführende Ausführungen empfehlen wir Ihnen die Aufzeichnung unseres Webinars, in dem Ihnen Hugo Barreto, Senior Consultant bei Modular Management, das Vorgehen im Detail erklärt und die drei Szenarien Schritt für Schritt durchspielt.

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