Von Komplexität zu Profitabilität – Der Wert eines Baukastensystems

Ingo Bögemann

In unserem letzten Blogbeitrag haben wir uns mit dem Wert von optimierter Komplexität für Unternehmen beschäftigt. In diesem Blog wollen wir dieses Thema vertiefen und darauf eingehen, wie sich dieser Wert in Euro und Cent quantifizieren lässt.

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Hohe und steigende Komplexität zeigt sich in Unternehmen in verschiedenen Formen, wir können die Effekte dieser Komplexität mit den Leiden chronischer Schmerzen vergleichen. Die Komplexität ist dabei die diffuse, schwer zu lokalisierende und noch schwerer zu behandelnde Ursache. Was im Unternehmen täglich sichtbar ist, sind die Symptome in Form von Komplexitätsschmerzen, die letztlich bei der Gewinn- und Verlustrechnung sichtbar werden und die Rentabilität drücken:

Die Geschwindigkeit und Effizienz der F&E-Abteilung nimmt ab, da ein immer größerer Teil der Kapazitäten auf die Betreuung des bestehenden Portfolios verwendet wird und wenig Zeit für Innovationen bleibt.

Es fallen hohe Kosten für Lagerhaltung und Inventar an, da eine Vielzahl an technischen Lösungen für die Produktion aber auch für das Ersatzteilwesen vorgehalten werden muss.

Hohe Qualitätskosten reduzieren die Marge sowohl in Form von Garantiekosten als auch in Form von versteckten Kosten für Nacharbeit.

In der Entwicklung sowie in der Produktion sind lange Vorlaufzeiten für die Erstellung von Produkten nötig, was die Wettbewerbsposition schwächt.

Und wenn Marktanteile mit neuen Produkten erschlossen werden sollen, gelingt es nicht bei einem Mehr an Umsatz auch Skaleneffekte zu realisieren.

All diese Symptome sind bekannt und um diese nachhaltig zu lindern bedarf es eines Paradigmenwechsels, der die nachhaltige Optimierung von Komplexität ermöglicht. Dies gelingt durch die Entwicklung in Form eines modularen Baukastensystems, welches am Marktbedarf outside-in orientiert ist und so Komplexitätskosten senkt und zugleich hilft Umsätze zu steigern.

Leseempfehlung: Mehr zu den Symptomen und Ursachen von Komplexität und wie Sie am besten mit Komplexität im Unternehmen umgehen, lesen Sie in unserem Blog-Artikel “Alles, was Sie zu Komplexität und Komplexitätskosten wissen müssen”.

Eine solche grundlegende Änderung in der Produktentwicklungsstrategie bedarf jedoch der Einbindung aller Unternehmensabteilungen. Hierfür braucht es ein klares Verständnis dafür, warum der Wandel nötig ist und was damit erreicht werden soll. Und um die Unterstützung der Unternehmensführung von Anfang an zu sichern, bedarf es auch einer Quantifizierung der Benefits in Form von Euro und Cent.

In diesem Blogartikel zeigen wir, wie Sie sich der Herausforderung der Quantifizierung von Komplexitätskosten systematisch nähern können.

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Wert durch Kostenreduktion und Umsatzsteigerung

Durch die Optimierung der Komplexität gelingt es, die Rentabilität zu steigern. Wie die Abbildung zeigt, setzt sich der Umsatz aus der Marge, den Vertriebsgemeinkosten und den Herstellungskosten zusammen. Die vergrößerte Marge kommt dabei durch zwei Anteile zustande, durch die Reduktion von Kosten und durch die Steigerung des Umsatzes.

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Vergrößerung des Umsatzes

Ein modulares Baukastensystem mit optimierter Komplexität ermöglicht es, eine vergrößerte Variantenvielfalt bei kleinerer interner Komplexität anzubieten. So können neue Marktbereiche erschlossen und die Bedürfnisse der Kunden noch zielgenauer bedient werden. Kürzere Vorlauf- und Produktionszeiten tragen ebenfalls zur Umsatzsteigerung bei. Die Entkopplung funktionaler Abhängigkeiten aufgrund gleicher Variantentreiber oder Unternehmensstrategie innerhalb der modularen Produktstruktur ermöglicht außerdem schnellere und häufigere Produkteinführung und Produktupgrades. Es muss nicht immer wieder alles angefasst werden. Alle diese Aspekte tragen gemeinsam zur Vergrößerung des Marktanteils und zum Erschließen neuer Märkte bei, was eine Steigerung des Umsatzes ermöglicht.

Reduktion der Kosten

Durch die nachhaltige Optimierung der Komplexität werden die zuvor als Komplexitätsschmerzen beschriebenen Probleme behoben und die assoziierten Kosten können gesenkt werden. Diese Reduktion der Komplexitätskosten setzt sich aus der Reduktion operativer Kosten, der Senkung von Qualitätskosten, verringerten Inventarkosten und geringeren Materialkosten aufgrund von Skaleneffekten - mehr vom gleichen - zusammen.

Komplexitätskosten quantifizieren

Im Rahmen dieses Blogartikels wollen wir uns auf die Reduktion von Komplexitätskosten und die Quantifizierung dieses Anteils konzentrieren. Hierzu betrachten wir einerseits die verschiedenen Anteile dieser Komplexitätskosten als auch die Treiber der Komplexität.

Die Komplexitätskosten setzen sich wie beschrieben aus den folgenden Anteilen zusammen

  • Operative Kosten: Kosten durch erhöhte Aufwände in der Entwicklung, Produktion und Vertrieb eines variantenreichen Produktportfolios mit einer Vielzahl von technischen Lösungen
  • Qualitätskosten: Kosten, die durch zusätzliche Nacharbeit oder Garantieleistungen verursacht werden
  • Inventarkosten: Kosten für die Lagerhaltung für Produktion und Ersatzteile sowie das gebundene Kapital in diesem Inventar
  • Materialkosten: Kosten für die Beschaffung einer großen Vielfalt von Bauteilen und Baugruppen bei gleichzeitig geringen Stückzahlen

Bei den Treibern der Komplexitätskosten konzentrieren wir uns auf

  • Bauteile: Individuelle technische Lösungen, denen eigene Teilenummern zugeordnet werden. Dies schließt Elektronik, Software und Dienstleistungen mit ein.
  • Produktvarianten: Anzahl der Varianten an fertigen Produkten, die am Markt angeboten werden
  • Produktarchitekturen: Vielfalt an verschiedenen Produktarchitekturen, die benötigt werden, um die gesamte Produktvariantenvielfalt anzubieten
  • Zulieferer: Anzahl der Zulieferer, die in der Lieferkette benötigt und verwaltet werden

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Um die Effekte einer Optimierung der Komplexität zu quantifizieren, bedarf es der Analyse und Quantifizierung der Komplexitätskostenanteile und der Komplexitätstreiber.

Leseempfehlung: In unserem Artikel ‚Kosten senken, Umsatz steigern: Die finanziellen Potenziale der Modularisierung‘ erhalten Sie einen umfassenden Überblick zu Modular Management’s Modular Strategy & Potential Methoden (MSAPTM)

Der Einfluss von Bauteilvarianten und Produktarchitekturen auf die operativen Kosten

Im Rahmen dieses Blogartikels wollen wir den Einfluss der Komplexitätstreiber Produktarchitekturen und Bauteile auf die operativen Kosten genauer betrachten. Die Varianz dieser beiden Treiber verursacht Komplexität in verschiedenen Bereichen des Unternehmens entlang der Wertschöpfungskette.

Komplexität durch Produktarchitekturen
Jede neue Produktarchitektur kommt mit einem eigenen Systemdesign, individuellen technischen Lösungen und Dokumentationen, die von Systemarchitekten und Entwicklungsingenieuren erstellt und verwaltet werden müssen. Oft haben Produktarchitekturen auch eigene Montagelinien und dazugehörige Testeinrichtungen. Passend zur angebotenen technischen Vielfalt bedarf es einer Logik, wie und welche Produktvarianten konfiguriert werden können. Damit einhergehend ist ein Konfigurations-Regelwerk, das erstellt und gepflegt werden muss; sowohl für die technische als auch für die Vertriebskonfiguration. Im Vertrieb wird die Konfigurationslogik durch passende Sales-Tools und Marketingmaterialien komplettiert.

Komplexität durch Bauteile
Die Komplexität auf der Ebene technischer Lösungen lässt sich direkt an Bauteilnummern knüpfen. Zu jeder Bauteilnummer gehört ein CAD-Modell, eine technische Zeichnung und eine Bauteilspezifikation. Die Teilenummer und diese Informationen müssen dann in PLM- und ERP-Systemen verwaltet werden. Zur Herstellung des Teils bedarf es Fertigungsinstruktionen und ggf. spezifischer Werkzeuge. Fertige Bauteile müssen inspiziert und getestet werden, wozu es im Einzelfall eigener Testeinrichtungen bedarf. Letztendlich müssen Bauteilvarianten für die Produktion und das Ersatzteilwesen gelagert werden.

Das Gleiche gilt auch für den Softwareanteil von Produkten. Auch hier muss jede Modulvariante im Quellcode entwickelt, dokumentiert, getestet und verwaltet werden.

Verknüpfung von Komplexitätstreibern und operativen Kosten

Um die operativen Kosten, die durch die Komplexitätstreiber verursacht werden, zu quantifizieren, wird der Einfluss dieser Treiber auf die Aktivitäten verschiedener Bereiche wie Entwicklung, Produktion, Logistik oder Produktmanagement systematisch in einer ValueMapTM erfasst. Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über die verschiedenen Bereiche und deren Aktivitäten.

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Den verschiedenen Aktivitäten können nun Kosten auf Basis von Ressourcenkosten aus dem klassischen Rechnungswesen zugeordnet werden, indem erfasst wird, welche Ressourcen z.B. in Form von Arbeitskraft oder Equipment für diese Aktivität benötigt werden. Das Ergebnis sind die Kosten der einzelnen Aktivitäten in den verschiedenen Bereichen.

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Im letzten Schritt zur Erstellung der ValueMapTM wird der Einfluss der Komplexitätstreiber auf die Aktivitäten untersucht. Es wird identifiziert welcher Anteil der Aktivität variabel ist und welche Kostentreiber Einfluss auf diesen variablen Anteil der Aktivitäten nehmen. Die folgende Abbildung zeigt noch einmal einen Überblick über die verschiedenen Komplexitätstreiber.

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Nun lässt sich die ValueMapTM vervollständigen. Im Zentrum stehen die Aktivitäten, die bestimmte Ressourcen benötigen. Der Aufwand in diesen Aktivitäten wird durch die Komplexitätstreiber skaliert. Durch die hier dargestellte Beziehung können nun die operativen Kosten von der klassischen Aufteilung in verschiedene Bereiche in eine Aufteilung auf Basis der Komplexitätstreiber übersetzt werden.

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Aus dieser Aufteilung können die Kosten abgelesen werden, die wir typischerweise als Komplexitätskosten bezeichnen. Es handelt sich hierbei um den Anteil, der durch Bauteile, Produktvarianten, Produktarchitekturen und Zulieferer beeinflusst wird. Den vom Volumen getriebenen Anteil der Kosten gehört nicht zu den Komplexitätskosten. Der Ansatz ist erweiterbar auf Software, Softwarefeatures und Services und sollte das spezifische Geschäfts- und Produktumfeld der Unternehmenstätigkeit entsprechend berücksichtigen.

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Nicht alle Komplexitätskosten sind schlechte Komplexitätskosten. Die Herausforderung besteht darin das Optimum für das eigene Unternehmen und den eigenen Produktkontext zu finden.

Das Optimum auf der Gesamtkostenkurve finden

Die Kosten der Komplexität lassen sich wie zuvor beschrieben berechnen. Es lässt sich leicht ablesen, dass eine größere Vielfalt an Bauteilen und Produktarchitekturen zur Zunahme der Komplexitätskosten führt. Eine komplette Standardisierung aller Teile und Produktarchitekturen ist aber auch nicht möglich, da dies zu sehr hohen Kosten und unattraktiven Produkten führen würde. Das Ziel ist es also das Optimum zwischen den beiden Polen der Standardisierung und ausufernder Komplexität zu finden.

Hierzu zeichnen wir die Kurve der Gesamtkosten in Beziehung zur Vielfalt von Bauteilen und Produktarchitekturen auf. Es zeigt sich, dass die Materialkosten mit zunehmender Variantenzahl abnehmen, da so Architekturen und technische Lösungen für den jeweiligen Anwendungsfall optimiert werden können. Die Kostenersparnisse durch Diversifizierung nehmen mit zunehmender Variantenvielfalt ab, so dass sich für die Materialkostenkurve ein asymptotischer Verlauf ergibt, der im Extremfall auch wieder ansteigen kann, wenn keine Skaleneffekte mehr durch Teilevariantenvielfalt vorhanden sind.

Parallel zu den Materialkosten betrachten wir die Komplexitätskosten, die durch zunehmende Vielfalt an Bauteilen und Produktarchitekturen verursacht werden. Die Komplexitätstreiber haben einen proportionalen Einfluss auf die Kosten, so dass sich ein linearer Verlauf der Komplexitätskosten ergibt. Bei extremer Ausprägung sind auch überproportionale Anstiege anzutreffen.

Wenn nun die beiden Kostenkurven überlagert werden, ergibt sich die Gesamtkostenkurve in Bezug auf die Komplexitätstreiber Bauteile und Produktarchitekturen. Es lässt sich direkt erkennen, dass sich ein Kostenminimum an dem Punkt ergibt, an dem die Materialkostenersparnis durch zusätzliche Varianten gleich der Komplexitätskostenzunahme durch zusätzliche Varianten ist.

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Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit den Materialkostenanteil der Gesamtkostenkurve optimiert und befinden sich daher auf der Gesamtkostenkurve rechts vom Optimum. Durch die Optimierung der Komplexität mit einem modularen Baukastensystem kann der Arbeitspunkt in Richtung des Optimums verschoben werden.

Konkrete Kostenersparnis

Um die mögliche Kostenersparnis durch Optimierung der Komplexität zu konkretisieren, nutzen wir ein Rechenbeispiel, bei dem der Einfluss der Komplexitätstreiber Bauteile und Produktarchitekturen ersichtlich wird. Die hier gewählten Zahlen sind repräsentativ für typische Projekte von Modular Management.

Bei operativen Gesamtkosten von 100 Mio. € und einem Komplexitätskostenanteil von 38 %, von dem jeweils 17 % und 13 % auf die Komplexitätstreiber Bauteile und Produktarchitekturen entfallen, würde eine Reduktion der Varianz dieser Komplexitätstreiber um 50 % die operativen Kosten um 15 %, also 15 Mio. € reduzieren. Die positiven Effekte optimierter Unternehmenskomplexität auf eine Gewinn- und Verlustrechnung sind erheblich und oftmals nicht genügend beachtet.

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Leseempfehlung: Wenn Sie mit der Berechnung der Komplexitätskosten für Ihr Unternehmen starten wollen, empfehlen wir Ihnen unseren Blogartikel ‚Komplexitätskosten – So gelingt die Berechnung‘ inkl. Excel Template

Optimierte Komplexität → Mehr Umsatz & Weniger Kosten

Wie schon in unserem letzten Blogartikel beschrieben verursacht hohe und zunehmende Komplexität in Unternehmen eine Vielzahl von Problemen. Häufig wird versucht, durch immer wiederkehrende, aber nicht nachhaltige Initiativen, die Komplexität in Schach zu halten.

Die nachhaltige Optimierung der Komplexität gelingt mit einem Paradigmenwechsel in der Entwicklungsstrategie und einem erweiterten Blick der Möglichkeiten bei der Unternehmensführung: Der Entwicklung in Form modularer Produktarchitekturen.

Um einen so grundlegenden Wandel zu wagen braucht gerade die Unternehmensführung ein klares Verständnis für die Notwendigkeit und die Ergebnisse dieses Wandels. Hierzu gehört auch die Quantifizierung in Form von Euro und Cent.

In diesem Artikel haben wir gezeigt, wie in einer ValueMapTM Aktivitäten zu den benötigten Ressourcen sowie zu den beeinflussenden Komplexitätstreibern in Beziehung gesetzt werden können. So gelingt es, den Gesamtkostenanteil für jeden Komplexitätstreiber zu ermitteln. Die potenziellen Benefits hängen nun vom Reduktionspotential für die verschiedenen Aspekte der Komplexität zusammen und können sehr gut für das eigene Geschäftsumfeld mit überschaubarem Aufwand vorab ermittelt werden. Dadurch gelingt eine zielgenaue Umsetzung und gewährleistet, dass die monetären Benefits auch tatsächlich mit einem Baukasten in gewünschtem Umfang gehoben werden. Unabhängig davon, ob Sie erst am Anfang der Überlegungen stehen oder vorhandene Baukästen optimieren möchten.

Die folgenden Tabellen zeigen Benefits, die durch Komplexitätsoptimierung möglich sind. Es handelt sich hierbei um Durchschnittswerte aus Modular Managements 25-jähriger Projekterfahrung. Wir wollen hierbei hervorheben, dass es Unternehmen gelingt nicht nur einzelne dieser Effekte zu generieren, sondern dass diese KPIs gemeinsam den Effekt der modularen Produktarchitektur ausmachen.

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In unserem Webinar From Pain to Profit Den Wert optimierter Komplexität quantifizieren vom 10.06.2021 erklärt Luther Johnson, der Präsident von Modular Management USA, die in diesem Artikel beschriebenen Zusammenhänge im Detail. Schauen Sie sich hier die Aufzeichnung des Webinars an:

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