Unser Projektpartner: Husqvarna
Die Husqvarna Group ist der weltweit größte Hersteller motorisierter Geräte für den Einsatz im Außenbereich. Zum Portfolio zählen unter anderem Kettensägen, Trimmer, Rasenmäher und Gartentraktoren. Darüber hinaus ist das Unternehmen europäischer Marktführer im Bereich privater Bewässerungssysteme und global führend bei Schneid- und Diamantwerkzeugen für das Baugewerbe und die Steinbearbeitung.
Das Produktspektrum richtet sich sowohl an private Anwender als auch an professionelle Nutzer in Industrie, Handwerk und Bau. Die Geräte werden in über 100 Ländern über ein kombiniertes Netz aus Fachhändlern und Einzelhandelsketten vertrieben.
Im Jahr 2015 erzielte die Husqvarna Group einen Umsatz von 4,4 Milliarden US-Dollar und beschäftigte rund 13.000 Mitarbeitende. Die wichtigsten Absatzmärkte sind Nordamerika und Europa. Entwicklung, Produktion und Vertrieb erfolgen über Standorte in mehr als 100 Ländern weltweit.
Das Unternehmen ist bekannt für Qualität, Langlebigkeit und hohe Leistungsfähigkeit seiner Produkte. Zum Markenportfolio gehören: Husqvarna (Premiumsegment), Gardena (Gartenbewässerung), McCulloch (preisorientiertes Volumensegment), Diamant Boart (professionelle Schneidtechnik)
Ergänzt wird das Sortiment durch zahlreiche regionale und taktisch eingesetzte Marken, mit denen spezifische Marktsegmente gezielt adressiert werden.
Ergebnisse
50 % schnellere Markteinführung neuer SKUs
–25 % Herstellungskosten
–50 % Ressourcen für die Entwicklung neuer Produkte
„Der Markt für elektrische Rasentrimmer ist von extrem starkem Wettbewerb geprägt. Ohne die modulare Architektur hätten wir Marktanteile verloren. Jetzt konkurrieren wir dank regelmäßiger funktionaler Updates, was vorher nicht möglich war.
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Ein vielversprechendes Segment sind anspruchsvolle Konsumenten. Es wird definitiv wachsen, aber der genaue Zeitpunkt ist unsicher. Modularität erlaubt es uns jedoch, den Markt genau im Auge zu behalten und blitzschnell zu reagieren, wenn er sich entwickelt.“
Martin Lienhard,
Director of Product Management
Herausforderungen im Unternehmen
Der globale Markt für Produkte der Husqvarna Group hatte zum Zeitpunkt des Projekts ein geschätztes Volumen von rund 23 Milliarden US-Dollar. Der größte Anteil entfiel auf Nordamerika (60 %), gefolgt von Europa (über 30 %) und dem Rest der Welt (unter 10 %). Die Nachfrage wird wesentlich durch konjunkturelle Rahmenbedingungen, Aktivität in der Forst- und Bauwirtschaft sowie den privaten Konsum langlebiger Gebrauchsgüter beeinflusst. Das erwartete jährliche Marktwachstum lag bei 2–3 Prozent in Stückzahlen.
Witterungsbedingungen führen zu starken, regionalen Absatzschwankungen – insbesondere bei Gartengeräten. Hinzu kommen ausgeprägte saisonale Effekte: Der Großteil der Verkäufe erfolgt im Frühjahr. Um dem entgegenzuwirken und organisches Wachstum zu generieren, erwarb Husqvarna ab den späten 1990er-Jahren mehrere Unternehmen. Dies brachte neue Marken, Produktionsstandorte und Entwicklungskapazitäten, führte aber auch zu einer komplexen, kostenintensiven Struktur mit vielen nicht standardisierten Komponenten.
Strategische Neuausrichtung: Komplexität reduzieren, Plattformen schaffen
Ab 2010 zielte die Unternehmensstrategie auf eine Integration der Geschäftsbereiche und die Schaffung einer schlanken, globalen Organisation. Eine zentrale Maßnahme war der Aufbau modularer Produktarchitekturen, mit dem Ziel:
- technische Plattformen zu standardisieren
- die Anzahl individueller Komponenten deutlich zu reduzieren
- Margen zu verbessern durch effizientere Entwicklung und Produktion
Ein zentrales Handlungsfeld waren dabei elektrische Rasentrimmer – eine stark umkämpfte Produktgruppe mit hohem Preisdruck, insbesondere in Nordamerika.
Produkt- und Marktkomplexität bei Rasentrimmern
Husqvarna war mit fünf Marken in diesem Segment vertreten: Gardena, Flymo, McCulloch, PoulanPRO und WeedEater. Die technische Vielfalt war hoch, Synergien zwischen den Marken waren begrenzt. Gleichzeitig stieg das Marktpotenzial für akkubetriebene Geräte durch technologische Fortschritte bei Batterien.
Besonders in den USA erschwerte die Händlerstruktur die Standardisierung. Der Einzelhandel forderte individuelle Artikelnummern zur Differenzierung, was zu hoher Variantenvielfalt, gestiegenen operativen Kosten und einer Auflösung markenspezifischer Leistungsprofile führte. Differenzierung fand oft nur noch über Ästhetik statt.
Die Unternehmensleitung reagierte mit einer grundlegenden Neuausrichtung der Produktplanung: Ziel war ein marktorientierter, modularer Entwicklungsansatz, der sowohl operative Effizienz als auch wirtschaftlichen Erfolg unterstützt. Dies erforderte auch neue Rollen und Verantwortlichkeiten in Marketing und Vertrieb.
Fragmentierte Entwicklung und mangelnde Plattformintegration
Die Entwicklungsorganisation war stark dezentral aufgestellt. Teams arbeiteten an individuellen Plattformen – oft in direkter Verbindung zu Einzelhandelskunden – und betrieben eigenständige Lieferketten. Zwischen den Standorten fand kaum Austausch statt.
Die technische Spezifikation und Markenabstimmung lagen bei Husqvarna selbst, die Detailentwicklung und Fertigung waren häufig ausgelagert. Externe Partner übernahmen Konstruktion, Supply Chain und teilweise sogar die Auslieferung in die Vertriebskanäle.
Die Folgen dieser Struktur:
- geringe Wiederverwendung von Komponenten
- hohe Entwicklungskosten pro Produkt
- begrenzte Markendurchgängigkeit
- uneinheitliche Lieferketten (z. B. Gardena aus Ulm, Flymo durch externe Fertiger, WeedEater aus China)
- Saisonabhängigkeit als Risiko
Die Nachfrage nach Trimmern konzentriert sich stark auf das Frühjahr. Die Fertigung beginnt im Spätherbst, mit Lagerung über den Winter. Abweichungen von der Absatzprognose lassen sich während der Saison kaum korrigieren – Planungsfehler wirken sich direkt auf Margen und Verfügbarkeit aus.
Daher war eine präzisere Prognoseplanung notwendig – unterstützt durch modulare Produktstrukturen, die flexibleres Variantenmanagement und bessere Volumenbündelung ermöglichen sollten.
Gesetzte Optimierungsziele
Im Segment der elektrischen Rasentrimmer verfolgte Husqvarna das Ziel, ein weltweit einheitlich aufgestelltes Markenportfolio zu etablieren – über alle Regionen und Vertriebskanäle hinweg. Eine globale, modulare Produktarchitektur wurde als zentraler Erfolgsfaktor identifiziert, um Produktfamilien wirtschaftlicher, flexibler und markenübergreifend konsistent aufzustellen.
Die Vision: Eine einzige technische Architektur, die die Anforderungen aller Marken und regionalen Märkte abdeckt – ohne dabei Entwicklungsaufwand, Komplexität oder Kosten unnötig zu steigern.
Die Produktentwicklungsteams sollten künftig eng zusammenarbeiten, während ausgewählte Zulieferer für die Detailkonstruktion und eine standardisierte Fertigung verantwortlich waren. Dies ermöglichte eine klare Trennung strategischer und operativer Aufgaben entlang der Wertschöpfungskette.
Differenzierte Fertigungsstrategie je nach Marktsegment
Husqvarna definierte eine zweigleisige Strategie:
- Mittel- und Hochpreissegment: Entwicklung und Fertigung im eigenen Haus, mit maximaler Nutzung der modularen Architektur durch standardisierte Produktplattformen, geteilte technische Lösungen und reduzierte Entwicklungsaufwände.
- Einsteigersegment: Auslagerung an externe Produzenten mit kostenoptimierten Spezifikationen.
Besonderer Fokus lag auf der Reduktion der Investitionskosten für Entwicklung und Werkzeuge – ohne Abstriche bei Markenidentität oder Funktionalität im mittleren Segment.
Pilotprojekt: Elektrische Rasentrimmer als Modultreiber
Obwohl die Produktgruppe nur einen kleinen Anteil am Gesamtumsatz hatte, entschied sich Husqvarna bewusst, elektrische Rasentrimmer als Pilotbereich für die Einführung modularer Architekturen zu nutzen. Die Herausforderungen in Bezug auf Preis, Time-to-Market und Variantenvielfalt waren exemplarisch für andere Teile des Portfolios – wenn auch in abgeschwächter Form.
Ziel war es, hier unter realen Bedingungen die Vorteile, Grenzen und Erfolgsfaktoren einer modularen Transformation zu validieren, bevor eine Skalierung auf andere Geschäftsbereiche erfolgen sollte.
Modularität als Antwort auf sinkende Margen und steigenden Wettbewerbsdruck
Der Markt für elektrische Rasentrimmer war von fallenden Preisen und zunehmendem Margendruck geprägt. Infolgedessen begann Husqvarna Marktanteile zu verlieren.
Zentrale Hebel zur Stabilisierung waren:
- schnellere Produktzyklen
- effizientere Plattformpflege
- reduzierte Komplexität bei gleichbleibender Produktvielfalt
Im Vordergrund stand nicht die Erhöhung der Variantenanzahl, sondern die Fähigkeit, bestehende Produkte deutlich schneller zu aktualisieren und an Marktveränderungen anzupassen.
Konkrete Ziele für die neue Plattformgeneration
Um im zunehmend preisgetriebenen mittleren Marktsegment wettbewerbsfähig zu bleiben – mit Zielpreisen um die 50 Euro – mussten die Produktionskosten spürbar gesenkt werden.
Die wichtigsten Maßnahmen und Zielgrößen:
- Reduktion der Teileanzahl um 40 %
- 60 % weniger Neuteile pro Entwicklungszyklus
- 30 % geringerer Lagerbestand durch geringere Variantenvielfalt
- verbesserte Termintreue durch einfachere Produktionsplanung
Diese Kennzahlen waren nicht nur operativ relevant, sondern dienten auch als Benchmark für den künftigen Einsatz modularer Architekturen in anderen Produktgruppen.
Was wir gemeinsam erreicht haben
Im Zuge des Modularisierungsprojekts wurde die Markenstrategie im Bereich elektrischer Rasentrimmer überarbeitet. Bestimmte Marken wurden künftig ausschließlich für benzinbetriebene oder professionelle Produkte eingesetzt. Die Marke WeedEater wurde organisatorisch dem US-Geschäft zugeordnet und dort separat geführt.
Im Fokus standen ab diesem Zeitpunkt die beiden Marken Gardena und Flymo, die gemeinsam ein jährliches Verkaufsvolumen von etwa 500.000 Einheiten erreichten. Die modulare Produktarchitektur diente als Grundlage für die wirtschaftlich tragfähige Neuausrichtung beider Marken.
Wirtschaftliche Ergebnisse: Kosten, Time-to-Market und Wachstum
Die Einführung modular aufgebauter Produkte zeigte schnell konkrete Ergebnisse:
- Herstellungskosten konnten markenabhängig um 5 bis 25 % gesenkt werden
- Bestände eingehender Komponenten wurden wie geplant reduziert
- Aufwand für neue Produktvarianten (SKUs) sank deutlich
- Markteinführungszeiten neuer Varianten reduzierten sich um mehr als 50 %
- Freigewordene Ressourcen wurden in weitere Projekte investiert
- Neues Wachstum entstand durch ausgewählte Produktvarianten für neue Märkte
Ein stabiler Einstiegspreis von 50 € im mittleren Marktsegment konnte nur durch diese Einsparungen gehalten werden.
Wandel in der Produktplanung: Vorausschauend und strukturiert
Durch die modulare Architektur hat sich die Herangehensweise an die Produktplanung grundlegend verändert:
- Variantenplanung erfolgt frühzeitig und systematisch
- Es wird definiert, welche Module stabil bleiben und welche angepasst werden müssen
- Neue Produktprojekte werden anhand der Anzahl benötigter Modulvarianten bewertet
- Entwickler arbeiten fokussierter, weil sie nicht mehr die gesamte Architektur verändern müssen
Entwicklungseffizienz durch Modular Function Deployment (MFD)
Den größten Einfluss hatte die systematische Methodik des Modular Function Deployment® (MFD®). Dadurch ist es leichter und besser planbar geworden, neue Produktfamilien zu entwickeln.“
Projektleiter und Produktmanager Felix Wegerhoff
Die modulare Denkweise hat sich in der Entwicklungsorganisation vollständig etabliert. Projekte werden nun pünktlich abgeschlossen, Budgets eingehalten und bis zu 25 % geringere Herstellungskosten erzielt.
Der Entwicklungsstandort Ulm wurde zum zentralen Kompetenzzentrum für Gardena und Flymo ausgebaut. Der bisherige Flymo-Standort in Großbritannien wurde geschlossen. Die Entwicklungszeit für neue Produkte halbierte sich, da zentrale Module mehrfach genutzt werden.
Operative Vorteile: Bestand, Qualität und Lieferketten
Auch auf operativer Ebene wurden signifikante Verbesserungen erzielt:
- Komponentenbestände wurden deutlich reduziert
- Servicequalität (SCR) konnte bei geringerem Aufwand gehalten werden
- Einführungszeiten neuer Produkte sanken um über 50 %
Die modulare Plattform ermöglichte eine gestaffelte Produkteinführung in drei Wellen:
- Flymo (2014): Netz- und Akkuvarianten, gefertigt durch externe Partner, geliefert an Großhändler in UK
- Gardena Akku (2014): Komponenten und Modulmontage durch Zulieferer, Endmontage im Werk
- Gardena Netz (2015): analog zur Akkulinie, jedoch fokussiert auf das zentraleuropäische Sortiment
Standardisierte Schnittstellen, die bereits in der Konzeptphase definiert wurden, ermöglichten eine effiziente und fehlerarme Integration neuer Varianten.
Modulare Architektur in Aktion
Der Großteil der Kosteneinsparungen ergab sich aus dem neuen Power-Modul. Dieses Modul stellte 80 % der gemeinsam genutzten Teile für die Produkte von Gardena und Flymo bereit. Das Modul umfasste vier Varianten für netzbetriebene Trimmer sowie zwei Varianten für akkubetriebene Geräte.
Motor, Antriebseinheit und Welle wurden als komplette Einheit beschafft und in allen Produkten verwendet. Anfangs erwies es sich als schwierig, einen Lieferanten zu finden, der das Power-Modul exakt gemäß den vorgegebenen Spezifikationen herstellen konnte. Daher war es entscheidend, die Zulieferer frühzeitig einzubeziehen, um eine optimale Abstimmung sicherzustellen.
Die vier netzbetriebenen Modulvarianten unterschieden sich durch den verwendeten Motor, wobei die Variante mit der geringsten Leistung auf die Kugelkalotte am Trimmerkopf verzichtete. Die beiden akkubetriebenen Modulvarianten unterschieden sich ausschließlich dadurch, ob sie über ein Getriebe oder direkt angetrieben wurden.