Unser Projektpartner: Bosch Thermotechnik
Die Bosch Home Comfort Group (vormals Bosch Thermotechnik) ist eine Division der Bosch Gruppe und zählt zu den führenden Anbietern für Lösungen in den Bereichen Klimatisierung und Warmwasserbereitung. Mit starken internationalen und regionalen Marken sowie Produktionsstandorten in Europa, Amerika und Asien deckt Bosch ein breites technologisches Spektrum ab.
Ein zentrales Kompetenzzentrum für elektrische Wärmepumpen befindet sich im schwedischen Tranås. Der Standort ging 2005 durch die Übernahme des Unternehmens IVT in den Besitz von Bosch über. Heute werden dort Wärmepumpen auf Basis unterschiedlicher Technologien entwickelt und montiert. Die Produkte werden unter verschiedenen Marken wie Bosch, IVT, Junkers und Buderus vermarktet. Die Unterschiede liegen primär im Design und der Benutzerführung, die jeweils an die Anforderungen der regionalen Märkte angepasst werden.
In Schweden erfolgt der Vertrieb der IVT-Produkte über eigene Großhandelsunternehmen oder unabhängige Distributoren. In anderen Ländern wie Deutschland werden die Marken über freie Fachhändler und Einkaufsverbände angeboten. Die Endmontage sämtlicher elektrischer Wärmepumpen findet in Tranås statt, wobei die benötigten Komponenten und Baugruppen global beschafft werden. Der Standort erwirtschaftet (zum Zeitpunkt des Projekts) einen Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro. Zum Zeitpunkt des Projekts arbeiteten dort rund 320 Mitarbeitende in Produktion und Entwicklung.
Ergebnisse
–44 % Produktkosten
–60 % Einzelteile
–40 % Lagerbestände
–50 % Montagezeit
–66 % Produktionsfläche
Herausforderungen im Unternehmen
In den 1970er-Jahren entwickelte IVT als Pionierunternehmen eine integrierte Erdwärmepumpe mit Wasserkreislauf im Erdreich und Wärmepumpeneinheit im Gebäude – ein technologischer Meilenstein, der durch hohe Energieeffizienz einen Premiumpreis rechtfertigte. IVT wuchs über Jahre hinweg mit hoher Profitabilität.
Mit dem Markteintritt weiterer Anbieter und dem technologischen Fortschritt konkurrierender Lösungen geriet das Differenzierungsmerkmal zunehmend unter Druck. Bosch TT reagierte mit einer strategischen Portfolioerweiterung in Richtung Luft/Wasser- und Luft/Luft-Wärmepumpen. Diese Systeme ermöglichen eine einfachere Installation und geringere Investitionskosten, gehen jedoch zulasten der Energieeffizienz und Margen. Viele Systemkomponenten werden von asiatischen Herstellern bezogen.
Parallel zur Marktausweitung außerhalb Schwedens sank die Nachfrage im Heimatmarkt. Die zunehmende Komplexität – durch ein breites Technologieportfolio und mehrere parallele Marken – führte zu steigenden Kosten und sinkender Profitabilität.
2011 reagierte das Management mit einer grundlegenden Neuausrichtung: In Tranås sollte eine neue Produktfamilie entstehen, die trotz gleicher Variantenvielfalt mit weniger, dafür standardisierten Komponenten auskommt. Ziel war die Einführung einer modularen Produktarchitektur, welche die bestehenden Produktlinien ersetzt.
Im Fokus standen:
- Deutliche Reduktion der Teilevielfalt
- Vereinfachung der Lagerhaltung
- Senkung der direkten Materialkosten
Gesetzte Optimierungsziele
Vor dem Start der modularen Neuentwicklung definierte das Management von Bosch TT einen klaren Programmplan samt Zielrendite auf das eingesetzte Kapital. Der Plan orientierte sich an den übergeordneten Unternehmensstrategien und Marktpotenzialen der Luft-/Wasser-Produktlinie.
Ein wesentliches Marktpotenzial lag in der bislang stagnierenden Energieeffizienz dieser Technologie. Bosch TT erkannte die Chance, durch gezielte Effizienzsteigerung eine Technologieführerschaft zu etablieren – ein entscheidender Vorteil gegenüber neuen Wettbewerbern. Gleichzeitig sollten auch günstigere Varianten angeboten werden, um preissensitive Marktsegmente abzudecken und Markteintrittsbarrieren für neue Anbieter zu erhöhen.
Die Luft-/Wasser-Produktlinie wies innerhalb des Portfolios die zweitniedrigste Profitabilität auf. Die hohe technische Komplexität war dabei ein wesentlicher Kostentreiber.
Das Optimierungsziel lautete:
- 50 % Reduktion der Teileanzahl, bei gleichbleibender Variantenvielfalt
- Höhere Wiederverwendung bestehender Komponenten
- Stärkere Fokussierung auf kostenoptimiertes Design
- 50 % Senkung der direkten Materialkosten
Was wir gemeinsam erreicht haben
Zwischen 2011 und 2014 geriet Bosch TT-HP in eine schwierige Marktphase. Die Nachfrage nach Erdwärmepumpen stagnierte, während sich der Produktmix zunehmend in Richtung margenschwächerer Luft-/Wasser-Systeme verschob. Umsatz und Profitabilität sanken deutlich.
Trotz dieser Rahmenbedingungen investierte Bosch TT-HP gezielt in Strategieplanung und Marktanalysen. Ziel war die Entwicklung einer neuen Produktfamilie, die auf einer modularen Architektur basiert. Die technische und strategische Unterstützung von Modular Management wurde dabei durchgehend vom Top-Management mitgetragen. Das Vertrauen in Modularisierung als strukturellen Hebel für Effizienzsteigerung war hoch.
Markteinführung der AirX-Plattform: Technologieführerschaft als Ergebnis
2014 brachte Bosch die neue modulare Plattform „AirX“ auf den Markt – das effizienteste Luft-/Wasser-System Nordeuropas, bestätigt durch ein unabhängiges dänisches Institut. Zusätzlich war es das leiseste je produzierte Modell von Bosch.
Die Resultate:
- Zweistelliges Umsatzwachstum nach Produkteinführung
- Fast vollständige Erreichung der Profitabilitätsziele
- 60 % Reduktion der Komponentenvielfalt gegenüber der Vorgängerplattform „Optima“
- Außeneinheit: von 650 auf 213 Teile (−67 %)
- Inneneinheit: von 240 auf 145 Teile (−40 %)
−40 % Lagerbestand an Komponenten
- Modularitätsanteil: 19 % über alle Wärmepumpenvarianten hinweg
Auf Basis von AirX wurden zwei weitere Plattformen entwickelt, mit dem Ziel, langfristig alle Wärmepumpenprodukte modular zu gestalten.
Kosten und Skaleneffekte
Die Produktionskosten der Außeneinheit konnten um 44 % gesenkt werden:
- 10 % durch Skaleneffekte (Verdopplung der Stückzahlen pro Komponente)
- 90 % durch intelligentes Design und neue Fertigungsmethoden
Die gesetzten Kostenziele wurden erreicht – und zusätzlich die Leistung der Produkte verbessert.
Patente, Standardisierung und Produktionsinnovation
Fünf Innovationen der AirX-Plattform wurden patentiert. Durch drehzahlgeregelte Kompressoren konnte der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden. Ein standardisiertes Rahmensystem ermöglicht es, unterschiedliche Wärmeüberträger flexibel in das gleiche System zu integrieren – ohne separate Kondensatoren.
Parallel zur Produktentwicklung wurde ein neues Produktionskonzept umgesetzt:
- −75 % Personalbedarf bei gleichzeitiger
- −90 % Produktionszeit
- −70 % Flächenbedarf für Außeneinheit,
- −40 % für Inneneinheit
Ein hybrides Beschaffungskonzept wurde eingeführt: Kostensensitive Module werden in Niedriglohnländern gefertigt, andere lokal. Die Endmontage folgt einem Kanban-System mit hoher Wiederholgenauigkeit und kurzen Rüstzeiten. Befestigungstechniken wurden stark vereinfacht.
Entkoppelte Produktion – flexible Marktbearbeitung
Die Modularisierung erlaubte eine Entkopplung von Produktion und Markenauftritt. Generische Geräte werden zentral in Tranås gefertigt und mit spezifischen Designsets versehen – markenspezifische Differenzierung erfolgt erst am Ende der Wertschöpfungskette.
Das Ergebnis:
- Wegfall der Fertigwarenlager
- Bessere Planbarkeit der Marktvolumina
- Kürzere Lieferzeiten
- Geringere Bestände und niedrigere Kosten
Modulare Architektur in Aktion
Die Außeneinheit der Wärmepumpe enthält den Ventilator als zentrale Komponente, um Luft durch den Wärmeübertrager zu führen. Ursprünglich wurde dieser mit individuell angepassten Halterungen befestigt – abhängig vom verfügbaren Bauraum im jeweiligen Gerät. Die nachträgliche Isolierung war aufwendig und wenig standardisiert.
Im Zuge der modularen Neuentwicklung analysierte das Entwicklungsteam die gesamte technische Peripherie des Ventilators systematisch. Das Ergebnis: Trage- und Isolierfunktionen lassen sich durch wenige, modular aufgebaute Komponenten abbilden. Diese Module sind über standardisierte Schnittstellen sowohl mit dem Ventilator als auch mit dem Gehäuse der Außeneinheit verbunden. Ein skalierbares Design deckt verschiedene Baugrößen effizient ab.
Durch die erreichte Gleichteilerhöhung konnte auf Fertigungstechniken der Serienproduktion umgestellt werden. Statt vormals 30 Einzelteilen kommt heute ein Formteil aus Polypropylen zum Einsatz – reduziert auf nur zwei Teile bei gleichzeitiger Kostenersparnis um den Faktor 15.
Ein ähnlicher Architekturansatz wurde bei der Inneneinheit für die Befestigung und Isolierung des Wassertanks übernommen. Auch hier konnten Komponentenanzahl, Materialkosten und Energieverluste signifikant reduziert werden.