Unser Projektpartner: Guldmann
Guldmann ist ein international tätiger Anbieter von Pflegebetten, Hebesystemen und zugehörigen Dienstleistungen. Das Portfolio umfasst Beratung, Schulung, Errichtung sowie Wartung und Instandsetzung – mit dem Ziel, pflegerische Ressourcen zu entlasten und mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung zu schaffen.
Die Kundenbasis ist weltweit verteilt. Die Betreuung erfolgt entweder über eigene Niederlassungen in Dänemark, Schweden, Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien und den USA oder über ein Netzwerk autorisierter Vertriebspartner, das Märkte von Island bis Australien abdeckt.
Guldmann produziert sämtliche Produkte im eigenen Haus. Zum Zeitpunkt des Projekts betrieb das Unternehmen eine Komponentenfertigung in der Ukraine, während Endmontage und zentrale Fertigung nahe dem Hauptsitz in Aarhus (Dänemark) angesiedelt waren. Ergänzend wurden Komponenten und Baugruppen global zugekauft.
Ergebnisse
Verdopplung des Jahresumsatzes
– 90 % Einzelteile
kürzere Vorlaufzeiten für die Erzeugnisse
Kostenreduzierungen
Einkauf in größeren Stückzahlen
Herausforderungen im Unternehmen
Im Jahr 2003 war Guldmann marktführend im Segment deckenmontierter Personenliftsysteme. Der Bereich war wirtschaftlich erfolgreich und trug wesentlich zum Nettoumsatz bei. Dennoch sah CEO Carsten Guldmann die Grenzen des bisherigen Geschäftsmodells mit Blick auf weiteres Wachstum.
Die steigende Marktnachfrage nach individualisierten Lösungen und zusätzlichen Produktvarianten stellte das Unternehmen vor zwei zentrale Herausforderungen:
- Wachstum ohne Komplexitätsüberlastung
- Erweiterung des Angebots bei stabilen Kosten, Lieferzeiten und Qualitätsstandards
Plattformgrenzen und operative Belastung
Die bestehende Produktplattform GP2 war nicht darauf ausgelegt, die wachsende Vielfalt an Marktanforderungen effizient zu bedienen – zumindest nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen und Lieferzeiten. Guldmann hatte zwar eine hohe Kompetenz in der Entwicklung kundenspezifischer Lösungen, doch:
- Die Fertigungskapazitäten waren begrenzt
- Kunden waren zunehmend weniger bereit, lange auf Sonderanfertigungen zu warten
- Die Plattform wurde durch administrative Komplexität zunehmend belastet
Auch die GH2-Plattform, mit ihrem flexiblen, aber aufwändig zu verwaltenden Sortiment, stieß an Grenzen: Neue Varianten erforderten kontinuierlichen Pflegeaufwand in Entwicklung und Produktion. Die Produkte unterlagen zudem regulatorischen Anforderungen für Medizingeräte – was Robustheit, Sicherheit und Zuverlässigkeit zusätzlich absichern musste.
Guldmann erkannte, dass die individuelle Einzelstückfertigung keine tragfähige Basis für weiteres Wachstum darstellte. Zwar existierten einige wiederverwendbare Komponenten, doch die Mehrheit der Teile wurde nach kundenspezifischer Zeichnung gefertigt.
Ein Umstieg war erforderlich:
- Von projektbasierter Einzelentwicklung hin zu vorgefertigten Komponentenlösungen
- Von gewachsener Plattformlogik hin zu strukturierter Modularisierung
- Von Stückzahl-abhängigem Aufwand hin zu skalierbaren Serienlösungen
Gesetzte Optimierungsziele
Guldmann setzte sich zum Ziel, eine neue Produktplattform mit langfristiger Perspektive zu etablieren – tragfähig für die kommenden 20 Jahre. Diese sollte es ermöglichen, weiter zu wachsen, ohne dabei die Kontrolle über Kosten, Variantenvielfalt und Lieferzeiten zu verlieren.
Im Fokus standen drei zentrale Anforderungen:
- Technologische Anpassungsfähigkeit: Produkte nach aktuellem Stand der Technik
- Kundennähe: Konfigurierbarkeit entlang individueller Anwendungsbedarfe
- Wirtschaftlichkeit: Reduktion direkter und indirekter Produktkosten
Die Plattform sollte auf einer strukturierten, modularen Architektur basieren. Aus ihr sollte sich ein stetiger Strom neuer Produktvarianten ableiten lassen – angepasst an regionale Marktanforderungen und Vertriebsstrategien. Besondere Bedeutung erhielt dabei der Ausbau in Schwellen- und Entwicklungsmärkten, die kostengünstigere Varianten erforderten.
Größtes Entwicklungsprojekt der Unternehmensgeschichte
Guldmann plante erhebliche Vorabinvestitionen in die Entwicklung einer robusten, wiederverwendbaren Plattform – das bislang umfangreichste Produktentwicklungsprojekt der Unternehmensgeschichte. Erwartet wurde:
- Höhere Marktabdeckung durch differenzierte Preis- und Funktionskonfigurationen
- Erweiterung der Vertriebskanäle und Erschließung neuer Märkte
- Stärkere Differenzierung gegenüber Wettbewerbern, die überwiegend mit Standardlösungen agierten
Die technische Herausforderung bestand weniger im „Anheben von Personen“ als vielmehr darin, dies schnell, wirtschaftlich und konfigurierbar zu leisten – ohne Qualitätseinbußen.
Hebel zur Kostensenkung: Standardisierung, Volumenbündelung und Variantenreduktion
Um das geplante Preis-Leistungs-Niveau zu erreichen, zielte Guldmann auf eine konsequente Senkung der direkten und indirekten Produktkosten:
Direkte Kosten:
- Einkauf größerer Stückzahlen zur Volumenbündelung
- Weniger Beschaffungsvorgänge durch Plattformstandardisierung
- Abschaffung individueller Spezifikationen für Standardkomponenten – zugunsten generischer Baugruppen
Indirekte Kosten:
- Reduktion der aktiven Teilenummern als Indikator für Komplexitätskosten
- Ziel: −50 % Einzelteile im Vergleich zur bisherigen GH2-Plattform
- Entlastung durch geringeren Aufwand in Entwicklung, Disposition und Lagerhaltung
- Verringerung von:
- Rohmaterial- und Umlaufbeständen
- Fertigwarenbestand
Die Fertigung sollte künftig nach einem Masterplan mit stark verkürzten Vorlaufzeiten erfolgen – als zentraler Beitrag zur Verbesserung von Lieferfähigkeit und Kapitalbindung.
Was wir gemeinsam erreicht haben
Vier Jahre nach Projektstart ging 2007 die neue GH3-Plattform in Betrieb. Bereits 2012 hatte Guldmann seinen Umsatz verdoppelt. Der Roll-out der Plattform erfolgte kontrolliert: Die Entwicklungsressourcen blieben begrenzt, sodass bestehende Vertriebs- und Lieferprozesse nicht beeinträchtigt wurden. Dieses Gleichgewicht zwischen Investition und Marktbearbeitung erwies sich als zentraler Erfolgsfaktor.
Die Markteinführung der Plattform erfolgte in Wellen. Innerhalb von zweieinhalb Jahren wurden alle verbleibenden Varianten eingeführt. Ab diesem Zeitpunkt konnte Guldmann jährlich neue Produktvarianten anbieten – ohne zusätzlichen Entwicklungsaufwand. Bis 2012 waren 70 % des Produktionsvolumens auf die GH3-Plattform umgestellt. Mit minimalen Modulmodifikationen gelang auch der Eintritt in das preisempfindliche Marktsegment.
Kundenorientierung und Plattformdisziplin als Erfolgsfaktoren
Begleitet wurde der Plattformwechsel durch eine strategische Neupositionierung: Unter dem Claim „Mehr Zeit“ wurde der Nutzen der GH3-Produkte in den Vordergrund gestellt – schnellere Transfers, mehr Zeit für Pflege. Diese Botschaft entstand direkt aus dem Modularisierungsprozess: Mithilfe von Quality Function Deployment (QFD) wurden frühzeitig die relevantesten Kundenanforderungen identifiziert und konsequent in Produktentscheidungen übersetzt.
Ein Stage-Gate-Prozess strukturierte die Entwicklung. Module wurden einzeln optimiert, dann selektiv in den Markt eingeführt. Diese Disziplin ermöglichte es einem kleinen Team, die neue Plattform zu realisieren, während die bestehende GH2-Serie weitergeführt wurde.
Jedes Modul erhielt eine eigene Entwicklungsstrategie, geschützt durch klar definierte Schnittstellen. Diese strukturelle Stringenz zahlt sich heute aus: Neue Varianten lassen sich schnell entwickeln, da Änderungen gezielt auf Modulbasis erfolgen können.
Technisches Ergebnis: Größeres Sortiment, weniger Teile, kürzere Entwicklungszeiten
Die Produktvielfalt nahm zu, gleichzeitig wurde die Komplexität reduziert:
- −90 % durchschnittliche Teileanzahl pro Produktvariante
- Geringerer Aufwand für kundenspezifische Konstruktionen
- Freisetzung von Kapazitäten für strategische Neuentwicklungen
Guldmann konnte sich damit wieder verstärkt auf hochwertige Individualsysteme und die Weiterentwicklung des Portfolios konzentrieren.
Effizienz in Fertigung und Supply Chain: Späte Differenzierung als Schlüssel
Zur Umsetzung der modularen Strategie wurde eine neue Fertigungslinie mit modularer Zellenstruktur aufgebaut. Diese nutzt ein Kanban-System, um vollständige Modulvarianten just-in-time zur Endmontage bereitzustellen. Die finale Differenzierung zum Endprodukt erfolgt erst spät im Produktionsprozess – ein entscheidender Hebel für Flexibilität und Lieferfähigkeit.
Ein weiterer Effizienztreiber: Die Software mit integriertem Selbsttest wird automatisch an die jeweilige Produktvariante angepasst und auf die Montagelinie geladen – das ermöglicht zuverlässige Funktionsprüfungen unabhängig vom individuellen Systemaufbau.
Parallel dazu wurden Einheitsmodule mit hohem Wiederverwendungsgrad eingeführt. Diese Module existieren nur in einer Variante, kommen aber in nahezu jeder Hebeeinrichtung zum Einsatz. Ergebnis:
- Stabile Lieferketten mit klarer Mengenplanung
- Beschaffungsoptimierung, inklusive Verlagerung einzelner Module in Niedriglohnländer
Modulare Architektur in Aktion
Im Verlauf der Plattformentwicklung entstand ein besonders leistungsfähiges Gehäusemodul, intern als „zentrales Einheits- und Übertragungsmodul“ bezeichnet. Es bildet das verbindende Element zwischen zahlreichen anderen Modulen und ermöglicht dank standardisierter Anschluss- und Transferschnittstellen eine hohe Variantenflexibilität.
Eine derartige Kopplung vieler unterschiedlicher Funktionseinheiten an ein einziges zentrales Modul ist in modularen Architekturen selten – und stellt einen entscheidenden Effizienzgewinn dar. Sie reduziert nicht nur die Anzahl individueller Schnittstellen, sondern macht das gesamte Produktsystem deutlich wirtschaftlicher und skalierbarer.
Das Modul selbst besteht aus Aluminiumdruckguss und vereint eine Vielzahl unterschiedlicher Komponenten. Als strukturelles Herzstück der Hubvorrichtung wurde es so ausgelegt, dass über die gesamte Lebensdauer der Plattform (mind. 20 Jahre) keine Anpassungen erforderlich sind.