Unser Projektpartner: Trane
Trane ist ein Geschäftsbereich der Climate Solutions Division von Ingersoll Rand. Zum Zeitpunkt des Projekts erwirtschaftete das Unternehmen einen Jahresumsatz von über 8 Milliarden US-Dollar und beschäftigte rund 9.000 Mitarbeitende an über 400 Standorten in 100 Ländern. Die Fertigung erfolgte in 29 Produktionsstätten, in denen HLK-Systeme (Heizung, Lüftung, Klima) für Wohngebäude, Bürokomplexe und Industrieanlagen hergestellt wurden.
Diese Fallstudie bezieht sich auf den Unternehmensbereich Trane Commercial Systems, der sich auf großtechnische HLK-Anlagen für Büro- und Industriegebäude spezialisiert hat. Zum Produkt- und Leistungsangebot gehören:
- Komplettsysteme zur Gebäude-Klimatisierung
- Lufttrockner, Kühl- und Luftreinigungsaggregate
- Ersatzteilversorgung und technischer Kundendienst
- Gebäudemanagementsysteme und Finanzierungslösungen
Die Anlagen haben in der Regel eine Lebensdauer von rund 20 Jahren. Ihre technische Weiterentwicklung verläuft kontinuierlich, aber nicht disruptiv. Großanlagen werden kundenspezifisch ausgelegt, von einer technischen Fachabteilung geprüft und schließlich durch externe Dienstleister vor Ort integriert und installiert.
Ergebnisse
–58 % Einzelteile
–15 % Produktkosten
–10 % Betriebskosten
–7 % direkte Materialkosten
– 50 % zeitlicher Entwicklungsaufwand
„Modular Management unterstützte uns bei der Entwicklung einer neuen Herangehensweise an modulares Konstruieren, die sich auf Verminderung der Anzahl an Einzelteilen und Reduktion der Komplexität konzentrierte. Gleichzeitig konnte danach flexibler auf Kundenwünsche eingegangen werden.“
Jim Wendschlag,
Leiter Produkttechnik Trane
Herausforderungen im Unternehmen
Im Jahr 2007 sorgten steigende Energiepreise und staatliche Energiesparinitiativen für wachsende Nachfrage nach energieeffizienten Nachrüstlösungen. Trane war zwar in Nordamerika Marktführer, sah sich aber zunehmend unter Druck, das Produktportfolio weiterzuentwickeln – insbesondere in Regionen außerhalb des Heimatmarkts.
Gleichzeitig führten sinkende Investitions- und Betriebskosten in der Branche dazu, dass auch höherwertige HLK-Systeme einem Preisverfall unterlagen. Tranes bestehende Produktlinie für Bürogebäude galt inzwischen als überholt. Wettbewerber boten technisch fortschrittlichere Systeme mit erweiterten Funktionen an.
Um die Marktposition zu halten, waren Investitionen in neue Produktmerkmale unumgänglich. Trane arbeitete profitabel mit stabilen Wachstumsraten von 7 bis 8 Prozent pro Jahr, doch es bestand klarer Handlungsbedarf. Frühere Maßnahmen wie Lean-Projekte oder Komponentenrationalisierung hatten zwar Einsparungen erzielt, stießen aber zunehmend an strukturelle Grenzen.
Ein Beispiel: Bei der Analyse der eingesetzten Elektromotoren in HLK-Systemen stellte sich heraus, dass Hunderte verschiedene Varianten verwendet wurden. Obwohl technische Gründe für jede Ausführung vorlagen, ließ sich nur ein sehr kleiner Teil eliminieren.
Erfolgsmodell am Limit: Produktplattformen vor dem Umbruch
In den 1990er-Jahren führte Trane eine modulare Lüftungsanlagenplattform ein, die schnell zum Markterfolg wurde. Die hohe Leistungsfähigkeit und die Möglichkeit, kundenspezifische Anforderungen durch modulare Funktionsblöcke abzubilden, passten perfekt zur technischen Vertriebsstrategie des Unternehmens.
Mit steigender Nachfrage investierte Trane in automatisierte Systeme zur Auftragsbearbeitung, die auch Fertigungszeichnungen generierten. Später wurden auch die Produktionsanlagen automatisiert – auf Grundlage der Daten aus der technischen Bestellabwicklung.
Bis 2007 hatte sich jedoch gezeigt, dass die Plattform das Ende ihres Lebenszyklus erreicht hatte. Neue Wettbewerbsprodukte boten mehr Optionen, bessere Integration und sprachen Gebäudenutzer direkter an. Gleichzeitig bot die bestehende Architektur kaum noch Spielraum für weitere Kostenoptimierungen.
Überlastung durch Variantenvielfalt und operative Komplexität
Die modulare Auslegung war über Jahre hinweg ein Wettbewerbsvorteil, entwickelte sich jedoch zunehmend zum operativen Engpass. Das Engineering-Team war mit dem Tagesgeschäft ausgelastet: Kundenanfragen, Spezifikationspflege, Vertragsanpassungen.
Jim Wendschlag, Leiter der Produktentwicklung, beschreibt die Situation so:
„Die zentral angelegten Lüftungsanlagen von Trane decken einen breiten Bereich von Leistungsklassen ab und bieten eine Vielzahl von Möglichkeiten und Optionen, mit denen man den unterschiedlichen Anforderungen vieler Arten von Gebäuden in vielen Klimazonen gerecht werden kann. Diese Flexibilität führte im Laufe der Zeit jedoch zu Abertausenden verschiedener Teile, sehr komplexen Anlagen und Systemen und dann auch entsprechenden Kosten.“
Über Jahre konzentrierten sich Verbesserungen auf den Bestell- und Dokumentationsprozess – eine notwendige Maßnahme angesichts der enormen Konfigurationsvielfalt. Stücklisten und Konstruktionsdaten wurden jedoch weiterhin dezentral und oft in Excel gepflegt. Zentrale Tools wie MRP oder PLM kamen kaum zum Einsatz.
Die Ressourcen der Technikabteilung reichten kaum für Neuentwicklungen. Neue Produkte mit echtem Innovationscharakter blieben lange auf der Prioritätenliste nachrangig, da kurzfristige Marktanpassungen Vorrang hatten. Entwicklungszyklen von bis zu 36 Monaten machten umfassende Produktinnovationen kaum handhabbar.
Ein engagiertes Anwendungsteam setzte sich für Investitionen in Prozessautomatisierung ein, um die hohe Varianz beherrschbarer zu machen. Lean-Prinzipien halfen, punktuelle Verschwendung zu identifizieren, konnten aber das Grundproblem – strukturelle Komplexität – nicht lösen.
Fertigung am Limit: Doppelstrukturen und unterbrochener Materialfluss
Die Auswirkungen der hohen Variantenvielfalt zeigten sich auch in der Fertigung. Materialflüsse wurden regelmäßig gestört, da Systeme nachträglich angepasst oder auf Sonderlösungen umgebaut werden mussten. 2007 wurden zwei getrennte Linien betrieben:
- Baureihe M für Innenanwendungen
- Baureihe T für Außenanwendungen
Obwohl beide Baureihen viele identische Komponenten nutzten, war eine Zusammenführung der Fertigung nicht möglich, ohne grundlegende Änderungen an der Gehäusearchitektur vorzunehmen. Die Vereinheitlichung dieser Linien stand seit Jahren auf der Liste strategischer Verbesserungen, scheiterte jedoch an den konstruktiven Voraussetzungen.
Gesetzte Optimierungsziele
Die Bereichsleitung von Trane Commercial Systems stand 2007 vor einer grundsätzlichen Weichenstellung: Wie sollte in die nächste Generation von Lüftungsanlagen investiert werden, um Marktanteile zu sichern und zugleich neue Maßstäbe im Wettbewerb zu setzen?
Nach Jahren der Effizienzorientierung und Kostenkontrolle entschied man sich für einen ambitionierten Schritt: Der Nachfolger der bisherigen Baureihe sollte auf einer modularen Architektur basieren. Diese sollte im Verlauf der Produktlebensdauer effizient aktualisierbar sein, ohne den Fertigungsfluss oder die bestehende Automatisierung zu gefährden.
Ziel war es, mit dieser Architektur:
- schneller neue Produkte auf den Markt zu bringen
- die Plattform kontinuierlich an technologische Entwicklungen und Kundenbedürfnisse anzupassen
- Investitionen in Automatisierung zu bewahren und gleichzeitig weiterzuentwickeln
Zielgrößen: Entwicklungszeit, Lieferfähigkeit und Produktpflege
Die modulare Struktur versprach messbare Verbesserungen in mehreren Bereichen:
Reduktion des Entwicklungsaufwands:
- um 25 % bei größeren Änderungen
- um 33 % bei kleineren Anpassungen
- Verkürzung der Lieferzeiten:
- um 50 % für große Produkte
- um 63 % für kleinere Konfigurationen
Darüber hinaus sollte die Produktlinie so aufgesetzt werden, dass sie über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg aktualisierbar bleibt. Dazu gehörte unter anderem die Möglichkeit, weniger kritische Merkmale modular anzupassen, ohne tief in die Produktstruktur einzugreifen.
Beispiel: Die Einführung standardisierter Schnittstellen zwischen Lüftungsgerät und Steuerung sollte es künftig ermöglichen, Steuerungssysteme effizient zu integrieren – sowohl in neue als auch in bestehende Anlagen.
Wirtschaftliche Hebel: Materialeinsparung, Produktpflege, Variantenbündelung
Ein zentrales Ziel war es, die Plattform auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zukunftssicher zu gestalten.
Die angestrebten Effekte im Überblick:
- Senkung der Betriebskosten um 10 %
- Reduktion der Materialkosten um 7 %
- durch effizientere Konstruktion
- höhere Fertigungsvolumina
- bessere Planbarkeit in der Beschaffung
Auch strukturelle Konsolidierungen waren vorgesehen: Die Varianten für Innen- und Außenanwendungen sollten in eine gemeinsame Architektur überführt und mit identischen Schnittstellen zum Gehäuse ausgestattet werden.
Trotz Prozessautomatisierung blieb die Konfigurationsvielfalt eine Kostenbelastung. Der modulare Baukasten wurde deshalb als Schlüsselmechanismus verstanden, um die aus Kundensicht wahrgenommene Flexibilität beizubehalten und gleichzeitig die interne Komplexität zu reduzieren.
Als Leistungsindikator wurde definiert:
- 80 % aller Aufträge sollten zu 100 % aus Standardmodulen bestehen
- Die verbleibenden 20 % sollten zu mindestens 95 % aus Standardmodulen aufgebaut sein
Was wir gemeinsam erreicht haben
Mit der Umstellung der Lüftungsanlagenreihe auf ein modulares Baukastensystem gelang Trane ein strategischer Schritt zur Wiederherstellung seiner technologischen Führungsrolle. Die neue Produktfamilie bot weiterhin eine breite Palette an Funktionen und Optionen – jedoch bei signifikant niedrigeren Herstellkosten im Vergleich zur Vorgängergeneration.
Nach Abschluss der ersten Projektphase begann das Unternehmen mit der Weiterentwicklung und Optimierung der modularen Plattform für den Einsatz in Bürogebäuden. Die Entwicklung der neuen Struktur war ein unternehmensweiter, kollaborativer Prozess. Ideen und Anforderungen aus verschiedenen Abteilungen flossen in die Architektur ein und führten zu einer langfristig tragfähigen Lösung, die Änderungen effizient aufnahm und bestehende Investitionen in Fertigung und Entwicklung nutzbar hielt.
Markteinführung: Energieeffizienz, Funktionalität und Kundennutzen
Bei ihrer Einführung galt die neue Lüftungsanlagenreihe „Climate Changer“ als die energieeffizienteste Lösung am Markt. Neben besserer Luftqualität und gesteigertem Komfort überzeugte sie durch bis zu 30 Prozent niedrigeren Energieverbrauch und reduzierte Emissionen. Gleichzeitig konnten sowohl Investitionskosten als auch Betriebskosten gesenkt werden.
Trane richtete seine Vertriebs- und Marketingstrategie neu aus: Im Mittelpunkt stand nicht mehr die rein technische Spezifikation, sondern der funktionale Kundennutzen. Viele Leistungsmerkmale wurden erstmals im Zuge der modularen Entwicklung systematisch erkannt und in das Angebot aufgenommen.
Durch die Integration der Innen- und Außenvarianten in eine gemeinsame Baukastenlogik ließ sich die Effizienz nochmals steigern. Die Zahl der bestellbaren Gerätegrößen stieg von 18 auf 26. Auch die Anzahl an verfügbaren Optionen wurde erweitert. Gleichzeitig verlagerte sich die Auftragsabwicklung auf vorab definierte Konfigurationen, wodurch die Rolle der automatisierten Bestellbearbeitung an Bedeutung verlor.
Jim Wendschlag fasst die Wirkung so zusammen:
„Die neue Herangehensweise eröffnet uns in Kombination mit der Struktur der neuartigen Technik sowohl die Möglichkeiten zu deutlichen direkten und indirekten Produktivitätssteigerungen als auch zu wesentlich schnelleren Verbesserungen im Lauf des Produktlebens.“
Entwicklungszeit, Variantensteuerung und Komplexitätsreduktion
Die Entwicklungszeit der ersten Einheit der neuen Plattform betrug 18 Monate – gegenüber 36 Monaten in früheren Projekten. Die Kombination aus standardisierten Modulvarianten und vordefinierten Einsatzplänen entlastete das Engineering-Team deutlich. Dieses konnte sich nun auf operative Fragestellungen wie Fertigungsoptimierung und Materialverfügbarkeit konzentrieren.
Die Anzahl zu verwaltender Einzelteile sank im Zuge der modularen Neustrukturierung um 58 Prozent. Hinzu kamen Effizienzgewinne durch die Zusammenführung der beiden vormals getrennt entwickelten Baureihen für Innen- und Außenanwendung.
Lean-Produktion und automatisierte Fertigung als struktureller Bestandteil
Bereits in der frühen Einführungsphase wurden in der Endmontage Effizienzsteigerungen von 15 Prozent erzielt – ermöglicht durch die Integration der Fertigungslogik in die modulare Architektur. Die Struktur erlaubte eine breite Mehrfachnutzung von Bauteilen, was Materialkosten senkte und Beschaffungsprozesse vereinfachte.
Die modulare Plattform eröffnete auch neue Möglichkeiten zur Prozessautomatisierung in der Fertigung. Diese wurde gezielt auf Eigenschaften ausgerichtet, die für Kunden den größten Wert stiften. Die Struktur ermöglichte konsistente, wiederholbare Abläufe mit messbarem Einfluss auf Produktqualität und Kundenzufriedenheit.
Zum Gesamterfolg äußert sich Jim Wendschlag abschließend:
„Das Produkt wurde von unseren Kunden sehr gut angenommen und ich glaube, es wird ein großer Gewinn für uns sein, wenn wir ganz fertig sind. Die Qualität war hervorragend, die Kosten für Garantiefälle und die Defekte pro Anlage unterboten die Zielsetzungen des Programms bei Weitem.“
Modulare Architektur in Aktion
Im Verlauf der strukturellen Neugestaltung erkannte Trane, dass das Außengehäuse eine weitaus größere Rolle spielt als ursprünglich angenommen. Als physische Hülle definiert es nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern beeinflusst zentrale technische Eigenschaften wie Luftführung, Isolierung, Zugänglichkeit und Schnittstellenpositionen. Gleichzeitig prägt es maßgeblich die Kundenwahrnehmung von Qualität und Wertigkeit.
Diese Erkenntnis führte zu einer Neugewichtung im Produktaufbau: Die Gehäusekonstruktion wurde zur priorisierten Modulgruppe. Trane investierte gezielt in automatisierte Blechbearbeitung und in eine durchgängige Isolierungstechnik mittels PU-Schäumung. So entstand ein zentral standardisiertes Gehäusekonzept mit Schnittstellen zu nahezu allen weiteren Modulen.
Die passende Gehäusevariante wird erst spät im Konfigurationsprozess ausgewählt – nachdem die Funktionseinheiten der Anlage definiert sind. Das Gehäuse wird anschließend konstruktionstechnisch vereinheitlicht und automatisiert gefertigt, um die Produktkomplexität in der Herstellung kontrollierbar zu halten.
Zusatzeffekt: Standardisierung im Ersatzteilwesen
Die konsequente Anwendung modularer Prinzipien ermöglichte auch die Lösung eines lange bestehenden Problems: Ersatzluftfilter waren für viele Anlagenkonfigurationen schwer verfügbar und oft nur individuell beschaffbar.
Mit dem Wandel zur modularen Struktur, der Einführung standardisierter Schnittstellen und der unternehmensweiten Disziplin beim Moduldesign wurde das Thema aktiv adressiert. Trane entschied sich, Filter nur noch aus industriell standardisierten Serien zu verwenden, die über gängige Lieferketten beschafft werden können.
Das Ergebnis: Kunden profitieren von kürzeren Lieferzeiten, geringeren Ersatzteilkosten und einem einfacheren Wartungsprozess – ein direkt wahrnehmbarer Mehrwert, der sich auch auf die Gesamtzufriedenheit im Betrieb auswirkt.