Zwei Industrie-Größen, eine modulare Herausforderung
Ford und Johnson Controls bewegen sich in völlig unterschiedlichen Branchen – Automobilindustrie und Gebäudetechnik – doch beide stehen vor einer ähnlichen Herausforderung: Sie müssen dekarbonisieren, Kosten senken und schneller auf volatile Nachfrage reagieren – ohne dabei die Kontrolle über die Komplexität zu verlieren.
Beide setzen nun auf modulare Systeme als Rückgrat ihrer Transformation.
Wenn große Traditionsunternehmen ihre Plattformen, Produkte und Werke um Modularität herum neu aufbauen, ist das keine theoretische Architekturdebatte mehr. Es ist eine strategische Ausrichtung – eine, die entweder Wiederverwendung und Geschwindigkeit freisetzt oder die nächste Generation an Komplexität zementiert.
Was ein „gutes“ modulares System ausmacht: Umfang, Lebensdauer, Aufwand
Entscheidend ist, was ein modulares System überhaupt gut macht. In der Praxis ist es das Zusammenspiel von drei Faktoren über die Zeit hinweg:
- Umfang: Wie viel des Produktportfolios deckt der Baukasten tatsächlich ab – über Produkte, Varianten, Werke und Märkte hinweg?
- Lebensdauer: Wie lange bleibt die Architektur relevant, wenn sich Technologien, Kundenbedürfnisse und Regularien ändern – ohne dass eine vollständige Überarbeitung nötig wird?
- Aufwand: Was kostet es wirklich, das modulare System aufzubauen, zu betreiben und weiterzuentwickeln – messbar in Teilenummern, Schnittstellen, Konstruktions-Stunden und Projektlaufzeiten?
Ein modulares System „verdient sich seinen Platz“, wenn Umfang sowie Lebensdauer und die damit verbundenen monetären Vorteile den betrieblichen Aufwand überwiegen.
Mit dieser Definition im Hinterkopf lässt sich klarer erkennen, wie Unternehmen Modularität strategisch einsetzen. Zwei aktuelle Beispiele – Ford im Bereich Elektromobilität und Johnson Controls in der Kälte-, Klima- und Gebäudetechnik – zeigen, wie Umfang, Lebensdauer und Aufwand konkret zusammenspielen und helfen, die geschäftlichen Zielstellungen zu erreichen.
Fords universelle EV-Plattform – eine Architektur für viele Fahrzeuge
Weniger Teile, neue Werke
Fords Elektrofahrzeug-Sparte kämpfte lange mit der Profitabilität. Die Antwort: eine universelle EV-Plattform sowie ein neues, universelles Produktionssystem als Basis für eine neue mittelgroße E-Pickup-Serie und eine ganze Familie günstiger Elektrofahrzeuge.
Der angestrebte Umfang ist klar: eine Plattform für mehrere Karosserieformen, mit gemeinsamen Grundkomponenten und softwaredefinierten Funktionen – zur Reduktion von Konstruktions-Aufwand, Herstellungsprozessen und Materialnummern.
Auch beim Aufwand geht Ford neue Wege: Nicht nur das Fahrzeug wird verändert, auch das Werk. Die bisher lineare Montagelinie wird durch ein sogenanntes "Assembly Tree" ersetzt, bei dem drei parallele Sub-Linien Front-, Heck- und Mittelsegmente produzieren, die dann mit einem strukturellen Batteriepaket verheiratet werden.
Das Ziel: weniger Teile und Verbindungselemente, weniger Stationen, deutlich kürzere Montagezeiten pro Fahrzeug.
Die hohen Investitionen in Schlüsselwerke und Batteriefertigung machen das Ganze zu einer strategischen Ausrichtung auf die Lebensdauer: Die Plattform muss über mehrere Fahrzeuggenerationen und Batterietechnologien hinweg tragfähig bleiben – nicht nur für ein einziges Modell. [1] [2]
Johnson Controls und die modulare Kühlkette
Langlebige Technik, sich wandelnde Vorgaben
Johnson Controls, ein Fortune-500-Unternehmen für smarte Gebäude und industrielle Kältelösungen, denkt ähnlich – in einem ganz anderen Kontext: der Lebensmittel- und Getränkeindustrie.
Hier bedeutet Umfang: die komplette Kühlkette abdecken – Schockfroster, Prozesskühlung, Kühlräume und Logistikhubs – mit einem konfigurierbaren Bausatz aus Verdichtereinheiten, Wärmetauschern und vorkonfigurierten Skids, statt für jeden Standort Einzelanfertigungen zu entwickeln.
Harmonisierte Steuerungskonzepte und Aufstellungen ermöglichen es Lebensmittelproduzenten, bewährte Lösungen schnell und standortübergreifend auszurollen.
Die Herausforderung der Lebensdauer ist anders, aber ebenso entscheidend: Kühlanlagen laufen oft jahrzehntelang, während sich Vorschriften für Kältemittel, Energiepreise und Hygienestandards ständig ändern.
Johnson Controls begegnet dem, indem langlebige mechanische Module mit einer digitalen Steuerungs- und Analyseebene kombiniert werden – diese lässt sich unabhängig weiterentwickeln und macht ständige Umbauten überflüssig.
Vorgefertigte Skids und standardisierte Steuerungen wirken direkt auf den Aufwand: weniger projektspezifische Konstruktion, schnellere Inbetriebnahme und deutlich geringerer Teile- und Schnittstellenaufwand über ein gesamtes Werksnetzwerk hinweg.[3] [4] [5]
Was gute modulare Systeme von Führungskräften verlangen
Durch die Brille von Umfang, Lebensdauer und Aufwand betrachtet, zeigen Ford und Johnson Controls, worauf es bei guter Modularität wirklich ankommt:
- Auf realen Umfang hin auslegen – eine Plattform für viele Produkte, nicht eine Plattform, die sich durch Ausnahmen stillschweigend auflöst.
- Lebensdauer schützen, indem Wandel isoliert wird – schnelllebige Elemente wie Software, Batterien oder Kältemittel modularisieren, sodass sie sich entkoppelt unabhängig weiterentwickeln lassen.
- Aufwand und Komplexität im Zeitverlauf messen – über Teilenummern, Schnittstellen und Konstruktions-Aufwand hinweg – nicht nur bei der ersten Markteinführung.
Unternehmen, die diese Fragen in den Blick nehmen, machen Modularität zu einer geschäftlichen Stärke. Wer das nicht tut, riskiert den Gang in die nächste Komplexitätsfalle.
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